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Dieses Thema hat 1 Antworten
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 Sonstiges
dresdenbild Offline




Beiträge: 134

15.02.2009 19:16
Altes vom neuen Postplatz Antworten

Hallöchen.

Derzeit treibe ich mich ja wieder viel im Stadtarchiv herum um mit umfassenden und zum Teil sehr tiefgründigen Studien das Schreibprojekt über den Postplatz zum Abschluss zu bringen. Bei der Suche nach Akten über das einstige Haus der Gastronomie, später HOG Am Zwinger und im Volksmund Freßwürfel genannt, stieß ich u. a. auch auf verschiedene Vorplanungen dieses Gebäudes und des Umfeldes, ja des ganzen Postplatz selber, die ich so auch noch nie gesehen habe. Dabei fand ich ein Ideenentwurf der technischen Universität, Institut für Städtebau (Prof. Funk) aus dem Jahre 1962 besonders interessant und meine, obwohl ich hier im Forum aus begreiflichen Gründen nicht auf alle Einzelheiten eingehen will, der Entwurf ist es einmal wert aus der heutigen Sicht eben auch einmal in diesem Forum betrachtet zu werden.

Zwei Aspekte sollen eine Rolle spielen. Erstens das Haus der Gastronomie selber und zweitens die Verkehrsführung.

Kurz zum Jahr 1962 und der Bausituation auf dem Postplatz. Die nördliche Seite der Wilsdruffer Straße war schon mit den Block B Nord bebaut, der Abschluss zur Sophienstraße stand noch offen, die Ruine der kriegszerstörten Sophienkirche war noch vorhanden. Die Straßenbahnen fuhren in Richtung Löbtau noch über das erste Stück der Annenstraße.

Nach der fallen gelassenen Planung eines Großkinos am nordwestlichen Abschluss der damaligen Ernst Thälmann Straße, kristallisierte sich das Projekt einer Großgaststätte heraus. Der Ideenentwurf des Kollektivs (ich sage Kollektiv absichtlich und nicht das fürchterliche neudeutsche Wort Team, weil Kollektiv auch etwas mit Kollegialität zu tun hat) sah nun für diesen Kopfbau folgendes vor und hier zitiere ich einmal wörtlich:

"Die Bebauung der Ernst Thälmann Straße liegt bis auf das geplante Haus der Gastronomie gegenüber dem Zwinger fest. Sie hat durch die Breite der Straße und die Höhenentwicklung der Gebäude monumentalen Charakter. Um das Gleichgewicht der Baumassen nicht zu stören, wird ein mindestens 20 m hoher Baukörper für das Haus der Gastronomie unbedingt erforderlich gehalten. Die Flucht dieses Gebäudes in der Ernst Thälmann Straße sollte sich mit der Flucht der zweigeschossigen Vorbauten des Block B Nord decken. Dadurch wird das optische Absinken der Hauptsimslinie im Zug der Thälmann Straße weitgehend vermieden.
Auch für die Wirkung des Kopfbaues der Gastronomie aus Richtung Freiberger Straße ist ein geschlossener 5 – geschossiger Baukörper unbedingt notwendig. Eine niedrigere Baumasse würde der Ernst Thälmann Straße und der Randbebauung des Stadtkernes die Kraft nehmen und den Giebel des 7 – geschossigen Blockes B Nord in einer häßlichen Überschneidung zeigen.
Für die Nordseite des Kopfbaues sind die Blickpunkte vom Italienischen Dörfchen und vom Theaterplatz aus maßgebend. Der Eckbau muß von diesen Standpunkten aus wahrnehmbar sein, darf jedoch nicht über die Flucht des Zwingerpavillons hinweggreifen und den Ausblick in den Postplatz verriegeln.
Der Kopfbau ist für das ganze alte und neue Ensemble am Postplatz von so entscheidender städtebaulicher Bedeutung, daß seine Kubatur und seine Gestaltung nicht losgelöst von diesen Gesichtspunkten festgelegt werden kann. Es wird jedoch für durchaus möglich gehalten, mit der bisher in Aussicht genommenen Kubatur die beschriebenen Wirkung zu erreichen.
Die Fakultät Bauwesen ist seit Jahren dafür entschieden eingetreten, den Baubestand der Sophienkirche aus historischen und baukünstlerischen Gründen zu erhalten. Es war daher eine Verpflichtung, eine Lösung zu finden, bei der der Bestand gesichert und den berechtigten Wünschen, die Ruine nicht störend in das neue Bauensemble einwirken zu lassen, entsprochen werden kann.
Im Ideenentwurf ist die Ruine der Sophienkirche im Westen mit einem 8 – 10 m tiefen Gebäudetrakt abgeschlossen, der ein Bauteil des Gastronoms ist und gegebenenfalls Säle enthalten kann, von denen aus sich die besten Blicke nach dem Zwinger und dem Postplatz eröffnen.
Im Erdgeschoß könnte ein Durchgang nach dem begrünten Inneren der Ruine geschaffen werden, an dessen Eingang, wie bereits früher von Prof. Wiel vorgeschlagen, das schöne Renaissanceportal Platz finden könnte, das ursprünglich dort stand, ehe es nach dem Jüdenhof gebracht wurde."

Schade, dass es bei diesem Ideenenturf blieb. Die Ruine der Sophienskirche, übrigens - die Pläne weisen noch auf eine wieder aufgebaute Busmannkapelle hin - eingebunden und als begehbarer Erlebnisraum geöffnet, dazu die wiederhergestellte Busmannkapelle und, m. E. besonders glücklich gelöst, die einst von Arnold vorgebaute und das Gebäude verschandelnde Doppelturmfront in falscher Gotik, bzw. was davon noch übrig war, abgerissen und das Portal (Schöne Pforte) wieder angesetzt. Auf meiner Postplatzseite habe ich mich ja seinerzeit schon einmal darüber geäußert ohne zu ahnen, dass es dazu sogar einmal einen Ideenentwurf gab.
Was ebenfalls interessant ist, der Entwurf des Gebäudes des Hauses der Gastronomie selber. Kubusform und fünf Geschosse, die Bauflucht soll sich mit der des Vorbaus des Blocks B Nord decken, der Eckbau muss wahrnehmar sein, darf aber nicht über die Flucht des Zwingerpavillons greifen. Und wenn man sich nun noch die Pläne anschaut, so kommen diese einem heut sehr bekannt vor:



Das Bild zeigt den Kopfbau vom Osten her gesehen. Deutlich ist die gewollte Einbindung der Ruine der kriegszerstörten Sophienkirche mit der wieder aufgebauten Bußmannkapelle zu erkennen.



Blick in Richtung Osten. Wenn man sich das rechts sehende geplante Hochhaus anschaut, kann man allerdings froh sein, dass dieser Ideenentwurf nicht umgesetzt wurde. Der Hammer ist allerdings das nächste Bild:



Nennen wir das ganze Gebilde einmal Wilsdruffer Kubus. Kommt euch das nicht auch ein wenig bekannt vor? Wie schon geschrieben. Der Entwurf stammt aus dem Jahre 1962.

2. Die Verkehrslösung.

Im Entwurf werden die Dresdner Verkehrsbetriebe kritisiert, weil sie, trotz Zusage, ihre Mithilfe "nicht gewähren konnten" (so umschrieben der Knüppel auf den Buhmann). Nicht desto trotz, das Kollektiv um Prof. Funk griff auf Gedanken eines Prof. Christfreund zurück, und dieser wiederum äußert sich über eine Planung des Straßenbahnverkehrs auf dem Postplatz u. a.

"... der geplante Straßenbahnknotenpunkt kommt im heutigen Kreuzungsbereich der Ernst Thälmann Straße mit der Wall- und Sophienstraße zu liegen. Ausgehend von einer Seitenlage der Straßenbahn im Zuge der Wallstraße entsteht ebenfalls eine Kreuzung als Knotenpunktform. Die Linien in der Schweriner Straße werden entweder über die Stiftsstraße (heute Hertha Lindner Straße, M.S.) oder kurz vor dem Postplatz in die Freiberger Straße (heute der vergessene Ausdruck Neue Freiberger Straße M. S.) geführt. Ein Abbiegen in Richtung Neustadt erfolgt erst im Bereich der ehemaligen Sophienstraße, die für den Kraftverkehr gesperrt wird. ..."

Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Eine zentrale Haltestelle im Bereich Wilsdruffer Straße, Wallstraße auf welcher in einer Seitenlage, also auf extra Bahnkörper, die Gleise liegen. Nicht mehr auf der Marienstraße. Auch der Schlenker zur Augustusbrücke führt, laut dieser Idee, über die Sophienstraße. Hätte es damals schon die Firma Horz & Ladewig gegeben, sinnigerweise hätte man dann sicherlich noch die Idee einer Überdachung dieser zentralen Haltestelle gehabt. Toll auch die Führung der Straßenbahn in Richtung Bahnhof Mitte. Zunächst in Richtung Freiberger Straße und dann mittels eines Schwenks über die Hertha Lindner Straße in die Schweriner, heute wieder Wettiner, Straße hinein. Kommt euch doch auch irgendwie bekannt vor.

Wie bemerkt, alles im Jahre 1962 in der Spinnstube der TU geschmiedet (ist nicht abfällig, eher bewundernd gemeint). Als kleines Schmeckerli ein Plan aus dem Jahre 1978. Vertraulich steht darauf, Ist aber nicht ernst zu nehmen, damals hatte ja fast jede selbständige Klofrau in ihrem Stempelkasten den "NFD Stempel". Diesmal geht es um die Planung des Wohnungsbaustandortes Postplatz. Auch nie was geworden aber, eindeutig die Führung der Straßenbahn:



Kommentar überflüssig.

(Quelle, Stadtarchiv Dresden 4.2.17/00252)

Einen schönen Sonntagabend

Matthias

Noemi Offline



Beiträge: 3

26.01.2011 08:39
#2 RE: Altes vom neuen Postplatz Antworten

Hi Matthias,

gut gemacht, mach weiter so

Wende dich stets der Sonne zu, dann fallen die Schatten hinter dich.
(aus China Versicherungsvergleich)

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