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Dieses Thema hat 5 Antworten
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 Bahn und Bus in Dresden
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Beiträge: 134

12.03.2008 07:26
Im Stadtarchiv entdeckt Antworten

Neulich fand ich, bei Recherchen zu einer eigentlich anderen Sache, im Stadtarchiv diese Eingabe und die dazugehörige Beantwortung. Der ganze Vorgang regt ein wenig zum Schmunzeln an, zeigt aber auch, dass unsere Ururgroßeltern auch schon ihre Probleme mit dem Betrieb der Straßenbahn hatten.

Zur Erklärung, vor allem für die Auswärtigen und die jüngeren Leser dieses Forums etwas kurz zur Geschichte. Die zweite, auch rote, Pferdebahngesellschaft in Dresden hatte eine weitere Linie nach Striesen eingerichtet, nachdem die erste, auch gelbe, Pferdebahngesellschaft, dieses vehement ablehnte. Allerdings hatte der Gemeinderat Striesens diese Ablehnung auf Grund seiner Sturheit einen erheblichen Anteil.

Die zweite Striesner Linie sollte eigentlich erst am heutigen Niederwaldplatz enden, aber besorgte Ingenieure fürchteten um die Tragfähigkeit der Brücke über den Landgraben. Zumal die Weiche zum Abstellgleis just auf selbiger zum Liegen kommen sollte. Also endete diese Linie zunächst am so genannten Rundteil, später Platz I, später und heute wieder Barbarossaplatz. Da nun vom Barbarossaplatz das erste und dann auch einzigste Teilstück der so genannten Diagonalstraße (eine geplante Prachtstraßenverbindung vom Schillerplatz bis zur Straße J, der heutigen Borsbergstraße) in Richtung Schillerplatz gebaut war, lag es nahe eine Verbindung zum Schillerplatz einzurichten. Übrigens, noch heute ist die geplante übergroße Breite der Straße an eben dieser Hüblerstraße vom Einnehmerhaus bis zum Barbarossaplatz zu erkennen. Weiter wurde diese Straße nicht bebaut, die Einwände und wohl auch die fehlenden finanziellen Mittel sprachen wohl dagegen. Legt aber einmal auf einem heutigen Stadtplan ein Lineal an diese Straße und schaut wo diese dann im Bereich der Borsbergstraße enden würde und da kann man schon einen Sinn erkennen. Aber ich komme vom Thema ab (die Einbindung der geplanten Diagonalstraße in die heutige Borsbergstraße ist übrigens der Grund meiner Recherche im Stadtarchiv).

Die rote Straßenbahngesellschaft ließ nun, mit allerhöchster Genehmigung der damaligen Oberbehörde, der Königlichen Amtshauptmannschaft Dresden Neustadt, die Bahnen bis zum Schillerplatz fahren. Allerdings nun schon elektrisch. Auch um 1900 wollte man wirtschaftlich arbeiten und so wurden die Anhänger am Barbarossaplatz abgehangen, auf ein Abstellgleis geschoben und der Motorwagen fuhr solo zum Schillerplatz. Vom Schillerplatz kommend wurden die Wagen einfach wieder angehängt und munter ging die Fahrt weiter in die Residenzstadt Dresden. Un um eben diese Rangierbewegungen geht die Eingabe:

An den Rath der Stadt Dresden
Abtheilung Straßenbahnamt.

Seit einigen Tagen wird der schönste Platz in unserer Vorstadt Striesen, der Barbarossaplatz, von der rothen Straßenbahngesellschaft als Rangierplatz benützt. Der Platz selbst als solcher hat sein vornehmes Aussehen verloren, außerdem sind bis jetzt folgende Uebelstände festgestellt. Das Abhängen und Weiterschieben der Wagen welche von einigen Arbeitern besorgt wird, erfolgt unter lautem Getöse. Es ist sogar vorgekommen. daß, wenn zwei abgekuppelte Wagen bereits auf dem Abstellgleise stehen, der dritte mit voller Wucht von dem ankommenden Motorwagen angestoßen wird, was nur zur Vergrößerung des Krawalls beiträgt. Die liebe Jugend ist besonders zahlreich behilflich den Lärm noch zu vergrößern und unterstützt, daß Seitens mancher Wagenführer unnöthige heftige Läuten und Pfeifen bis in die Abendstunden.
Die ergebenst Unterzeichneten erheben hiermit ausdrücklich Widerspruch gegen die seitens der Deutschen Straßenbahnbesellschaft angebrachten Anlage eines Abstellgleises am Barbarossaplatz.
Der hohe Rath der Stadt Dresden wird dringend gebeten genannte Straßenbahngesellschaft die Benutzung des Barbarossaplatzes als Rangieranlage zu untersagen, damit die Verunzierung dieses schönen Platzes aufhört und die Besitzer der anliegenden Grundstücke in ihrem Interesse nicht geschädigt werden, zumal die Entrüstung eine Allgemeine ist.

Dresden, den 22. Dezember 1900

August Schneider, Hausbesitzer



Der hohe Rat von Dresden wollte natürlich eine Antwort haben und der Direktor der roten Straßenbahngesellschaft verfaßte diese höchst persönlich. Zumindest hat er diese unterschrieben. Da diese Antwort aber in schönster Kanzleischrift geschieben ist, war es wohl einer seiner Mitarbeiter der dieses Schreiben aufsetzte. Übrigens. liest man die Originalhandschriften beider Direktoren (rote und gelbe) so haben diese, trotz ihrer Konkurrenz, zumindest eins gemeinsam. Beide hatten eine fürchterliche Klaue und vor allem bei Direktor Stössner muss man schon fast Ägyptologe sein um seine Notizen zu entziffern.

Aber nun die Antwort:

An

den Rath – Straßenbahnamt – Dresden

Auf die mit Beschluß IIa 1640 d des sehr geehrten Straßenbahnamt vom 27. vorigen Monats übersandte Beschwerde von Anwohnern des Barbarossaplatzes beehren wir uns ganz ergebenst zu erwidern, daß das Abhängen der Anhänger daselbst ganz regelmäßig geschieht und zwar während des 4 Minuten Verkehrs stets unter Aufsicht eines unserer Beamten und in der Zeit, wo nur an einem um den anderen Wagen angehängt wird, zum großen Theil, daß bei dem An- und Abhängen jedoch viel Lärm oder überhaupt Lärm entstände, ist uns gegenüber auch noch nicht die leiseste Klage darüber laut geworden ist. Wir haben im Gegentheil nach den, unserem Personal gegenüber gefallenen Äußerungen, ganz abgesehen von den Beobachtungen unserer Aufsichtsbeamten allen Grund zu der Annahme, daß sich der Betrieb thatsächlich in einer keineswegs ruhestörenden Weise abwickelt.
Was die Betheiligung der Straßenjugend dabei anbelangt, so ist das allerdings in den ersten Tagen der Fall gewesen, hat aber infolge unserer strengen Anweisungen an unsere Aufsichtsbeamten, diese Betheiligung unter keinen Umständen zu dulden, sehr bald aufgehört.
Wir können daher nur annehmen, daß die Beschwerde in Bezug auf den letzteren Punkte etwas verspätet eingegangen ist.
Die Einrichtung bei uns ist neu und wird daher, wie alles Neue kritisiert. Der Dresdner Straßenbahn ist es auf der Striesener- und Reichsstraßenbahnlinie ebenso ergangen, bis man sich daran gewöhnt hatte.

Hochachtungsvoll

Deutsche Straßenbahngesellschaft in Dresden

Der Direktor


Heute verkehrt schon längst keine Straßenbahn mehr über den Barbarossaplatz und die Anwohner brauchen sich nicht mehr über ruhestörenden Lärm und die Verschandelung dieses "schönsten Platz in Striesen" beschweren.

Matthias


(Quelle: Stadtarchiv Dresden 2.3.13. Stbr 101, Seite 77 ff)

Absender ( Gast )
Beiträge:

12.03.2008 14:24
#2 RE: Im Stadtarchiv entdeckt Antworten

Den Lärm bringen aber jetzt die stündlich ca. 800 durchfahrenden KFZ auf dem Feldsteinpflaster.

Gast
Beiträge:

28.04.2008 21:28
#3 RE: Im Stadtarchiv entdeckt Antworten

Hallo Matthias,

ich habe zufällig auf der Seite Ihren Beitrag im "Stadtarchiv entdeckt" gefunden. Da Sie sich sehr intensiv mit der Stadtteilgeschichte befassen, können Sie mir vielleicht helfen.
Ich selbst arbeite an einer Chronik der Straßenbahnlinien und habe trotz Auswertung der vorhandenen Dienstanweisungen und des Dresdner Anzeiger keine genauen Daten zur Eröffnung des Striesener Ringes finden können. Können Sie mir hierbei eventuell helfen?
Ich würde diesbezüglich mit Ihnen gern in Email-Kontakt treten.
Viele Grüße
Reinhard Elbertzhagen
elbertzhagen_dd@gmx.de

Gast
Beiträge:

28.04.2008 21:41
#4 RE: Im Stadtarchiv entdeckt Antworten

Hallo Matthias,

ich habe zufällig auf der Seite Ihren Beitrag im "Stadtarchiv entdeckt" gefunden. Da Sie sich sehr intensiv mit der Stadtteilgeschichte befassen, können Sie mir vielleicht helfen.
Ich selbst arbeite an einer Chronik der Straßenbahnlinien und habe trotz Auswertung der vorhandenen Dienstanweisungen und des Dresdner Anzeiger keine Daten zur Eröffnung (vermutlich nach dem 05.06.1897) des nordwestlichen Teiles des Striesener Ringes (Augsburger Straße [zwischen Tittmannstraße und Huttenstraße] - Huttenstraße bis zur Dürerstraße) finden können. Können Sie mir hierbei eventuell helfen?
Ich würde diesbezüglich mit Ihnen gern in Email-Kontakt treten.
Viele Grüße
Reinhard Elbertzhagen
elbertzhagen_dd@gmx.de

dresdenbild Offline




Beiträge: 134

29.04.2008 07:27
#5 RE: Im Stadtarchiv entdeckt Antworten

Da diese Straßenbahnstrecke erst nach der Eingemeindung Striesens errichtet wurde, oblag diese Angelegenheit letztlich der Stadt Dresden, was die Streckenführung betrifft und der Königlichen Amtshauptmannschaft Dresden Neustadt, was des Straßenbahnbetriebs betrifft. Da im Gegensatz zu den Akten der Gemeinde Striesen viele der Dresdner Akten Opfer des Bombenangiffs wurden, ist es sehr mühselig aus den Restbeständen und, teilweise vorhandenen, meist aber durch geschickte "Spürnase" aufzufindenen, Sekundärakten dem ganzen ein glaubwürdiges Gesicht zu geben (selbst das auch sehr mühselige Studium des DA in der SLUB bringt nicht viel und ist mitunter - wie jede Zeitung - auch fehlerbehaftet). Allerdings gibt es nicht nur den DA, sondern auch die Dresdner Nachrichten und andere Zeitungen, die muss man allerdings vorbestellen.
Ich selbst betreibe zwar umfassende Stadtteilgeschichte, die Geschichte der Straßenbahnstrecke spielt allerdings da nur eine untergeordnete Rolle, allenfalls berufsbedingte Merkwürdig- und Wichtigkeiten schreibe ich mir heraus, so dass ich zu der vorgenannten Straßenbahnstrecke nicht allzuviel im Einzelnen herausgezogen habe.
Ich gebe folgende Hinweise, welche eventuell zum Erfolg führen könnten.

- Im Informationsbestand des Stadtarchivs (vorletztes Regalfach) befinden sich in gebundener Form die Beschlüsse des Stadtrates von, ich glaube etwa 1870, an. Das sind einige Bände, aber es lohnt sich darin zu schmökern. Aber Vorsicht, ich "verlese" mich da meist immer und vergesse meine eigentliche Recherche .

- Vom damaligen Tiefbauamt, und hier sind noch viele Akten vorhanden, liegen die Dokumentationen der einzelnen Dresdner Straßen vor. Einfach die Straße ziehen und die Akten heben lassen. Allerdings auch sehr mühselig und nicht immer von Erfolg gekrönt.

- Wenn noch vorhanden die jeweilige Straßenbahnakte heben lassen (allerdings meist Misserfolg, dass was man sucht ist meist verbrannt).

- Die Akten der Enttrümmerung. Mitunter sind diesen die Kriegsschäden, Trümmerflächen etc. auf damals noch vorhandenen Rissen nebst angehefteten Anhängen eingezeichnet (dort fand ich zum Beispiel den Grundriss des Striesener Straßenbahnhofes).

- Bauakten der Neuzeit, wenn diese schon freigegeben sind. Was allerdings bei Straßenbau und öffentlichen Bauten ja meist der Fall ist. Auch hier wurde viel in der Vergangenheit recherchiert und da findet man mitunter ganz nützliche Sachen.

Im Staatsarchiv sind dann sicherlich noch die Akten der Königlichen Amtshauptmannschaft zu finden. Da muss ich auch noch hingehen, suche ja noch Unterlagen über die Borsi aus der Zeit vor der Übernahme dieser Straße durch die Gemeinde Striesen.

Zu guter Letzt habe ich in den Sitzungsprotokollen des Gemeinderats Striesen bis zur Eingemeindung schon einiges zur geplanten Trassierung dieser Straßenbahnstrecke und auch die erneut aufgetretenen "Kämpfe" zwischen dem Straßenbahnunternehmen und dem Gemeinderat, als auch die "Flügelkämpfe" im Gemeinderat zu dieser Angelegenheit gefunden. Diese Dinge würden allerdings den Rahmen des Forums sprengen.

Matthias

Gast
Beiträge:

29.04.2008 15:39
#6 RE: Im Stadtarchiv entdeckt Antworten

Vielen Dank für die umfassende Information.
Viele Erfolge bei Ihren weiteren Recherchen.
Reinhard Elbertzhagen

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